Gastbeitrag Claudia Wuttke | Create Writing

Die Frage, ob ein Autor / eine Autorin in diesen Zeiten einen Agenten braucht, ist ganz schnell und sehr eindeutig zu beantworten: Ja! Und zwar den Richtigen.

Warum?

Drehen wir das Rad der Zeit etwa 15 bis 20 Jahre zurück, sehen wir Lektor*innen in ihren Kämmerlein sitzen, vor ihnen eine Flut von Plastikmäppchen mit Manuskriptangeboten, die sie sich gern in gemeinschaftlicher Runde an einem Freitagnachmittag oder direkt durch die Praktikantin angeschaut und zu 99% abgesagt haben. Der eine oder andere Zufallstreffer könnte ja dabei sein, und Großes wurde und wird immer wieder aus diesen Stapeln gezogen – Bernhard Schlink ist ein gern genommenes Beispiel, aber auch „Tschik“ war ein unverlangt eingesandtes Manuskript. Darum muss man sich die Sachen anschauen. Oft aber reichte die Lektüre nicht über den ersten Satz hinaus. Kleiner Tipp: Nie mit dem Weckerklingeln oder dem Blick in den Spiegel beginnen. Da bist du direkt raus!

Und etwa zu dieser Zeit also sahen die ersten ehemaligen Verlagsmitarbeiter oder Unabhängigkeitsliebenden diese Lücke im System und sprangen hinein: Karin Graf und Petra Eggers kann man hier mit Fug und Recht nennen. Das Prinzip Literarische Agentur für deutsche Autoren war geboren.

Für die Verlage war das eine echte Entlastung, denn was von einer Agentur kam, hatte einen ersten Gütesiegel: Jemand, der was vom Markt verstand, machte sich die Arbeit, den Autor aufzunehmen und vermitteln zu wollen. Da das Agenturhonorar klassischerweise erfolgsorientiert ist, der Agent also erst honoriert wird, wenn ein Vertrag zustande kommt, konnte und kann man eine gewisse Qualität voraussetzen.

Was hat der Autor davon?

Für den Autor, der selbst ja auch nicht wusste, in welchem schwarzen Loch sein Manuskript verschwindet, war die Aufnahme durch die Agentur ebenfalls ein wichtiger Schritt in Richtung Sichtbarkeit und Erhöhung der Chancen auf einen begehrten Verlagsvertrag.

Aber genau hier fängt vielleicht auch die Frage an, die ein Autor sehr gut prüfen und für sich beantworten muss:

Welcher Agent passt zu mir?

Welcher erfüllt die Kriterien, die ich für mich brauche?

Dazu ein paar Tipps bei der Wahl des richtigen Agenten:

Die meisten Agenturen haben mehr oder weniger sichtbare Schwerpunkte: Manche machen in erster Linie Sachbuch, andere Frauenunterhaltung, Dritte eher Spannung, einige haben sich einen Namen als Subagenten für amerikanische Verlage gemacht. Man sollte sich also die Liste der vertretenen Autoren einmal gut anschauen und überlegen, ob man sich selbst gern darauf sehen würde. Überhaupt ist das ganze Erscheinungsbild der Website schon aufschlussreich: Macht hier jemand nur Agentur? Oder auch Verlag und andere Dienstleistungen? Ist die Arbeit des Agenten klar definiert? Was sagt er zur Manuskripteinsendung? Verspricht er Feedback oder sagt er nichts dazu?

Die Ansprache

Es ist in den meisten Fällen illusorisch, einen Agenten vorab telefonisch oder persönlich sprechen zu können, also bleibt nur der Weg über die Einsendung von Exposé, Leseprobe und Vita, um sich bei einem Agenten zu bewerben. Empfehlungen helfen natürlich kolossal. Ebenso wie erste Veröffentlichungen.

Sollte von Agenturseite dann Interesse bestehen, lasst euch unbedingt nicht nur den Vertretungsvertrag, sondern auch die Arbeitsweise erklären.

Ich höre von Autoren, dass sie kein Feedback auf ihre angenommenen Arbeiten bekommen und nicht wissen, an welche Verlage ihr Manuskript geschickt worden ist. Ganz ehrlich: das ist ein No Go! Der Autor hat keinen Anspruch auf ein tägliches Protokoll, aber selbstverständlich muss er wissen, wann und an wen seine Texte gehen und was nach einem angemessenen Zeitraum die Reaktionen sind.

Die Wahl des Agenten ist auch Vertrauenssache. Ein guter Agent berät dich nicht nur in Vertragsfragen und nimmt dir womöglich zähe Verhandlungen mit den Lizenzabteilungen ab – in erster Linie solltest du deinen Agenten als Partner, Coach und Lektor schätzen und mögen.

Ohne Sympathie oder eine menschliche Passgenauigkeit läuft in diesem künstlerischen und beziehungsgetragenen Geschäft einfach nichts.

Im Idealfall heißt das auch, dass der Agent von Verlagen hört, wonach sie auf der Suche sind, und dann wie ein Recruiter durch seine Autorenschaft stöbert und diejenigen anspricht, die passen könnten. Denn, wenn es passt, dann ist ein Agent auch dein Jobvermittler. Und der Stratege, der darauf aufpasst, dass du dich nicht verzettelst, dass du die richtigen Pseudonyme für die jeweiligen Stoffe wählst, sich Cover und Titelvorschläge von den Verlagen zeigen lässt.

Das alles kann und soll dein Agent für dich sein. Und wenn er dann nachts um zwei doch mal nicht ans Handy geht, dann nimm ihm das nicht übel. Auch dieser Mensch muss mal Pause machen …


Claudia Wuttke arbeitet mit ihrer Agentur Create Writing als Autorencoach und Literarische Agentin in Hamburg. Sie war zuletzt Verlagsleiterin bei HarperCollins Germany.

Webseite: www.createwriting.de